Der somatosensorische Homunculus erklärt anhand des Smartphone Daumens

Die Beweglichkeit unseres Körpers ist unterschiedlich und im somatosensorischen Cortex des Gehirns, auch Homunculus genannt, repräsentiert. Hier laufen Nervenbahnen zusammen, die die bewußt-gesteuerte Bewegung koordinieren.

Dabei unterscheiden wir den sensorischen und den motorischen Homunculus. In den sensorischen Homunculus ziehen alle Nervenzellen, die durch tastende Informationen aktiviert werden können. Unser Gesicht reagiert sensitiver auf Berührungen im Vergleich zu unserem Knie. Die Dichte der Nervenzellen die eine bestimmte Körperfläche enthält, spiegelt den Grad der Sensitivität wieder. Dabei nehmen die Nervenzellen, die von dieser Körperpartie in den sensorischen Teil des Gehirns ziehen auch eine größere, corticale Fläche ein. Das gleiche gilt auch für die Anatomie des motorischen Homunculus. Er wird innerviert von Nervenzellen, die Bewegungsimpulse der Muskulatur enthalten. Die Dichte der Nervenzellen aus einer muskulären Körperpartie kommend, nimmt folglich eine größere Fläche im motorischen Teil des Homunculus ein. Je größer die eingenommene Fläche desto größer der Bewegungsgrad einer Extremität. Unsere Hand hat einen größeren Freiheitsgrad der Bewegung als unser Ellenbogen. Das ist auch ein Grund dafür warum der Bau von Roboterhänden so diffizil ist. Die Hand muss gleichzeitig ein Küken halten können und beim Anheben eines 6kg Gewichts fest zu packen können.  

Im Laufe unseres Lebens trainieren wir immer wieder bestimmte Bewegungen auf der bewußten bzw. unbewußten Ebene. Das neuzeitliche Phänomen des Smartphone Daumens wurde nun in einer Studien von WissenschaftlerInnen untersucht. Durch das ständige Bedienen eines Smartphonebildschirmes mit dem Daumen, kann sich die korrespondierende Region im Cortex erweitern.

Mit Hilfe der Elektroenzephalography (EEG) haben WissenschaftlerInnen messen können, dass die Aktivität von Nervenzellen in der Homunuclusregions des Daumens im Vergleich zu Kontrollgruppen deutlich erhöht ist.

Dabei können wir uns inspirieren lassen den Bildschirm mit anderen Fingern zu erkunden oder das Smartphone auch mal ruhen zu lassen. 🙂

Bewußtes Gehen im Kampf mit viraler Polyneuritis.

Ian W. war 19 Jahre alt als ihn eine Infektion der Tiefenwahrnehmungsrezeptoren befiel. Seine Muskulatur war noch voll funktionsfähig aber die Sensoren in den Gelenken und Muskeln konnten nicht mehr aktiviert werden wenn sich Ian im Raum bewegen wollte. Ohne diese Körpersensibilität verlor er nicht nur seine Fähigkeit sich zu bewegen sondern wurde dissoziiert mit seiner Ich Wahrnehmung. Er konnte nicht mehr stehen oder sitzen, musste im Bett liegen und fragte den Arzt immer wieder ob er wirklich Ian W. sei. Wenn die Krankenschwester für  ihn das Fenster öffnete dann konnten die Temperaturrezeptoren in seiner Haut durch den kühlen Wind aktiviert werden und ihm endlich wieder ein Empfinden des eigenen Körpers liefern.

Sich selber wieder spüren zu können verlieh ihm den Willen sich mit Hilfe seiner beiden anderen Wahrnehmungszentren, dem Sehsystem und dem Gleichgewichtssystem in seinem Innenohr wieder zu bewegen. Es dauerte einige Monate bis er sich wieder setzen konnte und ein Jahr bis er sicher stehen konnte. Indem er sein Wissen über die Baumechanik seines Körpers anwendete, konnte er sich Aufrecht setzen. Bewußtheit entsteht aus der Beziehung sich Fragen zu stellen und daraus zu handeln. Wieso verliert er in einer Position das Gleichgewicht und wie kann er seine Position mit Hilfe seines visuellen Systems korrigieren. Er war fortwährend auf der Suche nach einer stabilen Beziehung seines knöchernen Skeletts zueinander.  Sein Innenohr lieferte ihm Feedback darüber wie stabil er saß. Doch die eigentliche Herausforderung lag darin wieder gehen zu können und es würde ihn 30Jahre an Training kosten bis er eine bewußte Form der Fortbewegung für sich entwickeln konnte.

Ich lerne gerade in meinem Feldenkraistraining u.a. einen bewußteren Gang und bin sehr beendruckt über die Leistung von Ian W.

Wer sich für eine bewußte Art des Gehens interessiert, dem kann ich das Buch von Wim Luijpers: „Die Heilkraft des Gehens“ sehr empfehlen. (#Werbungnotsponsored)

Weitere spannenden Wahrnehmungsstudien findet ihr im Buch des Neurologen Oliver Sacks: „Der Mann,  der seine Frau mit einem Hut verwechselte. (#Werbungnotsponsored)

Ein Blinder auf allen 7 Summits: die unglaubliche Biografie von Andy Holzer

In unserer Orientierung im Raum sind wir vorallem auf drei Körpersysteme angewiesen: dem visuellen System, dem Gleichgewichtssinn und der Propriozeption. Andy Holzer ist von Geburt an blind und zeigt uns welche physischen und mentalen Barrieren man überwinden kann, wenn man sich auf seinen Gleichgewichtssinn und den propriozeptiven Sensoren in Muskulatur und den Gelenken verläßt.

Very impressive!! 🙂

Noch mehr Neuroplastizität: ein BR Podcast

Enjoy 🙂

Plastizität und bewußte Bewegung

Ich bin eine großgewachsene Frau mit einer Körperlänge von 1,83m. Man hat mir gesagt, dass ich am Ende meiner Feldenkraisausbildung um 2-3cm wachsen werde, weil ich dann gelernt habe werde, meinen Körper in der Aufrichtung besser zu organisieren. Und es geht schon los. Mit Hilfe des Atmens und dem Zusammenspiel von Brustkorb und Becken lerne ich aus einer leicht gebückten Haltung in die Länge zu wachsen. Ich erforsche meine Körperrückseite und organisiere mich auch dort neu. Auch die Körperseitenlinien kommen in meinen Fokus und manchmal fühlt sich mein Laufen wie ein lockeres Hin und her pendeln an. Das letzte Jahr hat mein Gehirn eine Vielzahl von neuen Bewegungsimpulsen erhalten. Davon sind viele in meiner Kindheit angelegt worden und im Laufe meines Erwachsenenseins verblasst. Die bewußte und unbewußte Koordination meiner Bewegung wird von meinem Gehirn gesteuert. Die Sensoren in meinen Gelenken füttern meinen Körper über seine Position im Raum. Meine Augen und Ohren liefern dem Gehirn Informationen über die Umgebung, in der ich mich befinde.

Diese Informationen gelangen in verschiedene Regionen meines zentralen Nervensystems:

Den kürzesten Weg nehmen Signale über meine Wirbelsäule zurück in meine Muskulatur. Auf diesem Weg entstehen unsere Reflexe.

Sensorische Informationen, also alles was mit dem Spüren und Tastsinn zu tun hat gelangt im Gehirn in den somatosensorischen Cortex. Von dort kann können Nervenzelle aktiviert werden, die mit dem frontalen Cortex, dem Entscheidungsträger des Gehirns verbunden sind. Wenn ich eine interessante Oberfläche ertaste, kann ich die bewußte Entscheidung treffen, diese weiter mit meinen Fingern zu erforschen. Dann geht ein Impuls vom frontalen Cortex zum motorischen Cortex, weiter über das Rückenmark in meine Finger mit einem Bewegungsimpuls.

Das obige Bewegungsverhalten ist stark vereinfacht, weil bewusste, muskuläre Aktivität in einer Rückkopplungsschleife reguliert wird, in der auch das Kleinhirn und die Basalganglien beteiligt sind.

Neuronale Aktivität ist nicht nur ein serieller sondern auch ein paralleler Ablauf im Gehirn in dem entlang der Synapsen und Nervenbahnen immer wieder gemessen wird wie relevant die Information für das System ist. Das Erstellen bzw. Festigen von vorhandenen Verbindungen ist mit einer hohen Stoffwechselleistung verbunden und nur die die sich lohnen bleiben erhalten. Alle anderen werden gelöst oder entstehen erst gar nicht.

Na dann bin ich aber mal gespannt welche Synapsen für Bewegungsimpulse bei mir gestärkt bzw. verschwinden werden. Ein freudiges bewusstes Erforschen wünsche ich euch!!

Warum ein Sohn das Gesicht seiner Mutter nicht mehr erkennen kann.

Ich bin ein großer Fan des indischen Neurowissenschaftlers Vilayanur Ramachandran. Er ist u.a. Professor für Psychologie und Neurowissenschaften an der University of California und beschreibt in seinem Bestseller „Eine kurze Reise durch Geist und Gehirn“ einen interessanten Patientenfall. (#unbezahlteWerbung, #notsponsored)


Ein Mann hat sich eine schwere Verletzung in der Amygdala, dem sog. Gehirngefühlszentrum und einer Region, die für die Gesichtserkennung wichtig ist zugezogen. Beide Regionen sind nicht ausreichend miteinander verbunden und dadurch entsteht dem Patienten folgende Wahrnehmungsstörung.
Er kann seine Mutter nicht mehr erkennen. Als Sie ihn im Krankenhaus besuchen kommt, behauptet er dass sie eine Doppelgängerin ist.
Er sieht ihr Gesicht und kann es als das seiner Mutter zuordnen. Aber dadurch, dass die Gefühle für Sie ausbleiben meint er Sie sei eine Doppelgängerin. Die Gesichtswahrnehmung ist bei ihm beeinträchtigt. Psychisch und physisch ist er aber gesund. Wenn er mit mit seiner Mutter telefoniert dann erkennt er ihre Stimme da die Verbindungen zwischen seinem Gefühlszentrum und dem Hörzentrum normal funktionieren.


Im Laufe der Evolution des Menschen hat es sich als Vorteilhaft ergeben, die Gesichter seiner Mitmenschen zu kennen und einordnen zu können. Daraus ist dem Menschen eine eigene Gehirnstruktur entstanden.
Fehlt diese Eigenschaft so spricht man im Fachjargon von Prosopagnosie.

Die 30-10-120 Regel gegen Kurzsichtigkeit

Kinder sollen mindestens 2 Stunden am Tag draußen spielen, so lautet das Fazit einer chinesischen Forschergruppe, die eine Metastudie (s.u. Link) zum Thema Myopie ausgearbeitet hat.
Kurzsichtigkeit breitet sich in den westlichen bzw. asiatischen Ländern stark aus und Kinder sind vor allem davon betroffen, da deren Augenentwicklung noch nicht abgeschlossen ist.
In der Grundschule werden die Kinder schon früh an einen kurzsichtigen Lebenstil herangeführt, indem Sie viel Zeit vor Büchern bzw. dem Bildschirm verbringen.
Als Ausgleichsmaßnahme für Grundschulkinder empfehlen die WissenschaftlerInnen deshalb die 30-10-120 Regel für ein optimales Lernen. Kinder sollen nach einer 30-minütigen Lesephase 10min pausieren und mindestens 120min im Freien spielen, damit das kindliche Auge auch mal in die natürlich-entspannte Weitsichtigkeit adaptieren kann.

Wie ein Mann seinen Parkinsonsymptomen davonläuft.

Ich lese aktuell das Buch „Wie das Gehirn heilt“ des amerikanischen Mediziners Norman Doidge (#Buchwerbungunbezahlt). Ein spannendes Buch über die neuronale Plastizität und gespickt mit den neuesten, medizinischen Therapieansätzen für Krankheiten des Nervensystems wie bspw. Parkinson, Alzheimer und Multipler Sklerose.

In einem Fallbeispiel stellt er uns die beeindruckende Geschichte des Südafrikaners John Pepper vor. Er leidet seit Jahrzehnten an Parkinson und hat für sich einen Weg gefunden wie er seine Symptome reduzieren und das Fortschreiten der Krankheit verzögern kann. Sein Weg heißt langsames Gehen. Für einen Parkinsonerkrankten klingt dieser Ansatz paradox. Bei der Krankheit handelt es sich um eine fortschreitende Form von Bewegungsimmobilität, erschwert durch das Unvermögen Teile der eigenen Muskulatur willkürlich zu bewegen.

Umso erstaunlicher ist es, dass John Pepper sich als Schlüssel seiner Heilung ausgerechnet das Gehen ausgewählt hat. Er geht langsam und dadurch kann er sich seiner fehlerhaften Fortbewegung bewusst werden. Beeindruckenderweise erlangte er wieder die Kontrolle über seine Beinbewegung. Heute geht er aufrecht durchs Leben und  zieht bewusst seine Beine hoch um ein Schlurfen der Füße zu vermeiden. Das Walking ist ein fester Bestandteil seines Tagesablaufs geworden und es ermöglicht im aktuell ohne Medikamente auszukommen. Er hat seinen Dopaminkreislauf aus eigener Willenskraft reaktiviert.

In einem zukünftigen Artikel werde ich auf die Funktion des Dopaminstoffwechsels näher eingehen. Für mich als Neuroplastikerin ist es immer wieder erstaunlich wie dynamisch unser Gehirn auf Änderungen reagieren kann: wie im Falle von John Pepper. Let us go for „use it and not lose it“. 🙂

Sind Sie Smartphonesüchtig?

Dieser Frage und anderen Alltagssüchten geht der Achtsamkeitsforscher Judson Brewer auf den Grund. Er erklärt die damit verbundenen, konditionierenden Mechanismen und schlägt als Gegenmaßnahme Achtsamkeitsmethoden wie bspw. die Meditation vor. Seine Erkenntnisse hat der amerikanische Wissenschaftler nun in einem unterhaltsamen und wissenschaftlich gut recherchierten Buch zusammengefaßt.

#Buchempfehlungnichtgesponsert

Frühkindliche Reflexe, die kommen und wieder gehen.

Reflexe zeichnen sich dadurch aus, dass Sie in ihrem Verhaltensablauf nicht von der Großhirnrinde gesteuert werden sondern über Nervenbahnen im Rückenmark verlaufen und automatisch ablaufen. Bei Babys gibt es ganz besondere Reflexe die nach einer bestimmten Zeit wieder verschwinden.

Welche frühkindlichen Reflexe gibt es?

Such-Saug und Schluckreflex:

Schreitreflex: Mit 3 Monaten bildet sich dieser Bewegungsreflex aus. Es handelt sich hier aber nicht um ein normales Laufen. Dafür ist die Muskulatur in diesem alter noch zu schwach ausgebildet.

Mororeflex: Wenn sich ein Baby erschreckt, dann streckt es automatisch seine Hände nach oben. Danach zeiht es eine Arme wieder zu sich und ballt die Fäustchen. Er dient als Schutz vor dem Fallen und zum sicheren Festhalten an die Mutter.

Atemschutzreflex: Wenn Mund und Nase mit Wasser in Berührung kommt dann erfolgt diese automatische Körperantwort. Der Reflex bildet sich mit ca. 4 Monaten wieder zurück.

Babinskireflex: nach seinem Entdecker benannt, strecken Babys ihren großen Zeh aus und klappen ihre restlichen Zehen ein, sobald man ihnen mit dem Finger über den äußeren Rand des Fusses streicht. Dieser Reflex verschwindet mit ca einem Lebensjahr, wenn die Phase des Laufenlernens beginnt.

Greifreflex: zupacken mit großer Kraft. Jeder der schon einmal einem Baby seinen Finger präsentiert hat weiss wovon ich spreche 🙂